Heidelbeeren, Brombeeren & Co: ist der Fuchsbandwurm eine Gefahr?
Heidelbeeren und Brombeeren wachsen hierzulande nicht nur in heimischen Gärten, sondern auch wild in der freien Natur. Bei einem sommerlichen Spaziergang durch den Wald können wir ihnen begegnen, geduldig wartend auf eine pflückende Hand. Die Verlockung ist groß, doch das Zögern auch. War da nicht was mit dem Fuchsbandwurm? Er soll auf den köstlichen Früchten lauern und für Menschen eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Müssen wir wirklich auf ein Beerenvergnügen verzichten?
Inhaltsverzeichnis
Fuchsbandwurm
Der Fuchsbandwurm ist ein Parasit, der sich den Fuchs als Wirt auserkoren hat und daher auch seinen Namen hat. Im Inneren des Fuchses stellt er keine Gefahr für eine Übertragung dar, schließlich steht dieser nicht auf dem Speiseplan des Menschen. Doch viele Menschen befürchten eine Ansteckungen über wilde Beeren. Verbreitet sich der Fuchsbandwurm durch Beeren? Wie hoch das Erkrankungsrisiko tatsächlich ist und wie sich der Erreger überhaupt verbreitet erfahren Sie im folgenden Artikel.
Der Kreislauf der Vermehrung
Für seine Vermehrung benötigt der Fuchsbandwurm, mit dem wissenschaftlichen Namen Echinococcus multilocularis, allerdings einen Zwischenwirt: die Maus. Damit die Vermehrung im Körper der Maus erfolgen kann, muss der Erreger vom Fuchs irgendwie zu diesem kleinen Wald- und Wiesentier gelangen. Die Übertragung erfolgt über den Kot des Fuchses.
- Echinococcus multilocularis legt Eier im Fuchsdarm ab
- Eier gelangen über Kot auf Wald- bzw. Wiesenboden
- dieser verunreinigt die Nahrung der Maus
- mit Gräsern und Samen verschluckt sie auch den Fuchsbandwurm
- die Larven entwickeln sich in ihr weiter
- die schon bald geschwächte Maus wird vom Fuchs gefressen
- die Erreger sind somit wieder bei ihm angelangt
- der Kreislauf kann von vorne beginnen
Nur wenn sich der Fuchsbanderreger außerhalb seiner beiden Wirte befindet, kann er für den Menschen gefährlich werden und nur dann, wenn dieser unmittelbar mit ihm in Berührung kommt und anschließend den Erreger auch über den Mund aufnimmt.
Fuchspopulation steigt
Hierzulande erholt sich stetig die Population der Füchse, was gleichbedeutend ist mit einer erhöhten Anzahl an Fuchsbandwirten. Zusätzlich wird immer öfter beobachtet, dass sich Füchse bei ihrer Nahrungssuche bis an die Städte heranwagen. Damit überschneiden sich das Wirkungsgebiet der Füchse und der Lebensbereich des Menschen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Kontakt ist dadurch erhöht, auch wenn dieser nicht zwingend unmittelbar, sondern über Umwege erfolgen kann. Beispielsweise wenn von Füchsen gestreifte Sachen zu einem späteren Zeitpunkt von Menschen berührt werden.
Krankheitsverlauf beim Menschen
Fuchsbandwürmer gelten als die europaweit gefährlichsten Parasiten für den menschlichen Körper. Bis die Ansteckung spürbar auffällt, vergehen bis zu 10 Jahre.
- unbehandelte Infektionen führen zum Tod
- Medikamente können den Wurm nicht abtöten
- lediglich die Vermehrung eindämmen
- Medikamente haben starke Nebenwirkungen
- und sind lebenslang Pflicht
Bei diesem erschreckenden Szenario ist es nicht weiter verwunderlich, dass seit jeher vor dem Verzehr von wilden Beeren abgeraten wird. Heidelbeeren, Brombeeren und Co. aus dem Wald, dem Zuhause des Fuchses, wurden als die Hauptüberträger der Parasiten vermutet.
Erkrankungsrisiko
Doch wie ist es mit dem tatsächlichen Erkrankungsrisiko für den Menschen überhaupt bestellt? Der gefühlten Bedrohung stehen klar belegte Zahlen und Fakten gegenüber. Vom renommierten Robert-Koch-Institut sind für Deutschland und das Jahr 2015 folgende Daten ermittelt worden:
- von ca. 82.000.000 Bundesbürgern wurden 45 Menschen befallen
- das entspricht einer Risikoquote von etwa 0,00005 %
- Übertragungsquellen konnten nicht identifiziert werden
Das ist für alle befürchteten Gefahren hierzulande, einschließlich der Gefahr vom Blitz getroffen zu werden, eine der niedrigsten und damit unwahrscheinlichsten Risiken überhaupt. Und das, obwohl die Erkrankungen gegenüber Vorjahren zugenommen haben. Das liegt allerdings nicht daran, dass der Erreger selbst gefährlicher geworden ist, sondern an der erhöhten Anzahl infizierter Füchse.
Nicht jeder Kontakt mit dem Erreger ist folgenreich
Unabhängig voneinander durchgeführte Studien aus mehreren Ländern gehen davon aus, dass ein Mensch regelmäßig bzw. eine große Anzahl an Erregern aufgenommen haben muss, um infiziert zu werden. Hunderte oder gar Tausende Erreger müssten es schon sein. Weiterhin gibt es Belege dafür, dass der überwiegende Teil der europäischen Bevölkerung trotz erfolgtem Kontakt zum Erreger – nachgewiesen anhand gebildeter Antikörper – nicht erkrankt, gewissermaßen über eine Resistenz verfügt. Die Rede ist von 80 bis 90 % der Gesamtbevölkerung.
Regionen mit erhöhtem Risiko
Statistiker haben die Erkrankungszahlen ausgewertet und weisen für südliche Bundesländer ein erhöhtes Erkrankungsrisiko aus. Vorne weg sind das Bayern und Baden-Württemberg, gefolgt von Hessen und NRW. Das mag nicht zuletzt an der Verbreitung des Fuchses sowie den landschaftlichen Begebenheiten liegen, wo mehr essbare Gewächse wild wachsen.
Tipp: Nicht nur Beerenfrüchte könnten den Fuchsbandwurm tragen, auch der niedrig wachsende und bei Pflückern beliebte Bärlauch und viele andere essbare Kräuter könnten in Fuchsregionen theoretisch infiziert sein.
Der heimische Garten ist nahezu sicher
Obwohl schon für wilde Beeren längst Entwarnung gegeben wurde, befürchten einige Gartenbesitzer eine Gefahr für ihre kultivierten Exemplare. Doch diese Besorgnis ist nicht begründet. Die hoch an den Zweigen hängenden Früchte würden kaum in Kontakt mit dem von den Füchsen am Boden ausgeschiedenen Kot kommen. Hinzu kommt, dass die Waldbewohner äußerst seltene Besucher in einem kultivierten Garten sind.
Wenn Sie Ihren Garten nicht gerade uneingezäunt und in der Nähe eines mit Füchsen bestückten Waldes stehen haben, sollte das Risiko, dass an den geernteten Beeren Fuchsbanderreger sind, praktisch bei null liegen.
Übertragung
Waldbeeren als Krankheitsüberträger
Doch ist es überhaupt das Naschen der leckeren Waldbeeren, das zu diesen wenigen Erkrankungen geführt hat? Von Generation zu Generation wurde die Ansteckungsgefahr, die von wilden Beeren ausgehen soll, als vermeintliches Wissen weitergegeben und sollte abschreckend wirken. Und tatsächlich verzichten viele Menschen sicherheitshalber auf den Genuss der Waldfrüchte.
Einige Jahrzehnte und einige wissenschaftliche Untersuchungen weiter, hat sich diese alte Vermutung nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil, Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass von den Brombeerbüschen und ihren verwandten Sträuchern kaum Gefahr ausgehen kann. Wilde Beeren liegen nicht auf dem Boden, sondern hängen hoch in den Zweigen, wo sie von eventuellem Fuchskot weit entfernt sind.
Erdbeerfelder, die größere Gefahr
Wenn überhaupt, so stellen die niedrig wachsenden Erdbeeren die größere Ansteckungsgefahr unter allen Beerensorten dar. Die Zwischenwirte Mäuse verstecken sich gern in Erdbeerfeldern und könnten so den Erreger auf die Erdbeeren bringen.
Wahrscheinlichere Übertragungswege
Es hat sich herausgestellt, dass Jäger und Landwirte häufiger von diesem Erreger infiziert werden. Vermutlich, weil sie regelmäßig mit Wald- und Wiesenboden in Berührung kommen. Das betrifft mehr als die Hälfte aller Ansteckungsfälle.
Eine weitere Gruppe stellen die Hundebesitzer da, besonders wenn ihre Hunde frei herumstreunen dürfen. Auf ihren Streifzügen fangen sie infizierte Mäuse und stecken sich selbst mit dem Bandwurm an. Ein infizierter Hund verbreitet über seinen Kot ebenso viele Krankheitserreger wie ein erkrankter Fuchs.
- Erreger können auch in das Fell des Hundes gelangen
- und durch Streicheln an die Hände der Menschen
- bei mangelnder Hygiene besteht Ansteckungsgefahr
Erkrankte Katzen sind übrigens ein kleineres Risiko, das sie selbst weniger Erreger verbreiten als der Hund.
Tipp: Hundebesitzer, die mit ihrem Tier oft in der freien Natur sind, sollten an eine regelmäßige Wurmkur für ihren Vierbeiner denken.
Tipps für Sicherheitsbewusste
Wer auch das verbleibende Risiko, die mit dem Genuss von Himbeeren, Brombeeren und Co. einhergeht, weiter minimieren möchte, kann folgende Tipps beherzigen:
- nach Wald- und Wiesenaufenthalten stets gründlich Hände waschen
- nur wilde Beeren pflücken, die höher als 80 cm hängen
- am besten nur in fuchsfreien Gebieten
- keine ungewaschenen Früchte vom Strauch naschen
- daheim Früchte mehrmals waschen
Tipp: Der Fuchs markiert mit dem Kot sein Revier. Dafür wählt er markante Orte wie Felsen, Hügelkuppen, Baumstümpfe oder Wegkreuzungen. In Fuchsgebieten sollten daher solche Orte als Sammelstelle für wilde Beeren ausscheiden, um eine evtl. Übertragung des Erregers zu vermeiden.
Hitze zerstört den Fuchsbandwurm
Bereiten Sie aus den Beerenfrüchten einfach köstliche Marmeladen zu. Die Hitze beim Kochen tötet die Erreger bereits ab 70 Grad Celsius ab. Kälte dagegen richtet beim Fuchsband keinen Schaden an. Deswegen ist das Einfrieren von Beeren in der Gefriertruhe zwar eine mögliche Konservierungsmethode, aber keinesfalls eine wirksame Maßnahme gegen den Fuchsbandwurm.