Phänologischer Kalender | Hintergründe, Phasen, Verlässlichkeit
Die Natur hat ihren eigenen Rhythmus. Beeinflusst wird dieser durch die Jahreszeiten, die wiederum abhängig sind von zahlreichen Faktoren, hauptsächlich dem Klima und dem Stand der Sonne. Jede Phase ist dabei von Pflanzen gekennzeichnet, die zu dieser Zeit eine bestimmte Wachstumserscheinung präsentieren. Geordnet werden diese Zeigerpflanzen und Phasen zusammen in den phänologischen Kalender, der schon seit Jahrhunderten vom Menschen angewandt wird.
Inhaltsverzeichnis
Phänologie: Lehre der Erscheinungen
Die Phänologie bezeichnet ein spezielles Feld der Wissenschaft, das sich mit der Erfassung einzelner Entwicklungsphasen von Pflanzen befasst. Über die biologischen Abläufe wie die Blütezeit lässt sich das Jahr in verschiedene Phasen einteilen, die sich durch Zeigerpflanzen bemerkbar machen. Der Hintergrund zur „Lehre der Erscheinungen“ stammt vom schwedischen Naturforscher Carl von Linné, der den ersten Kalender für den Zeitpunkt der Blüte verschiedener Gewächse bestimmt hat. Seit dieser Zeit hat sich die phänologische Erfassung von Vegetationserscheinungen stark ausgeweitet.
Dadurch hat sich der eigentliche Hintergrund zur ausschließlichen Erfassung deutlich erweitert und wird heute sogar von Wetterdiensten und Universitäten genutzt. Bauern, Förster und Hobbygärtner machen ebenfalls Gebrauch von der phänologischen Jahreseinteilung, da sie unabhängig von festgelegten Daten ist. Sie fokussiert sich ausschließlich auf die biologischen Vorgänge.
Hinweis: Das Verhalten einheimischer Tierarten ist ebenfalls ein Aspekt der Phänologie, wird aber nicht in den Kalender integriert. Dieser wird ausschließlich durch Pflanzen bestimmt, da diese deutlich einfacher zu beobachten sind.
Phänologischer Kalender: Erklärung
Essentieller Aspekt dieser Wissenschaft ist ein „phänologischer Kalender“. Bei ihm handelt es sich um die Einteilung des Kalenderjahres in zehn Abschnitte, die durch Zeigerpflanzen definiert werden. Theoretisch richten sich Menschen schon immer nach diesem Konzept, da zum Beispiel Weizen nicht über den Winter geerntet werden kann. Über das Konzept von Linné ist die Möglichkeit entstanden, die einzelnen Abschnitte noch genauer zu erfassen und entsprechend zu nutzen. Ein phänologischer Kalender zeigt Ihnen genau auf, in welche Phasen das Jahr unterteilt ist und welche Zeigerpflanzen dort auftauchen. Sie erhalten somit einen Überblick über die Gewächse, die Ihnen vorgeben, wann der Frühling endet oder der Herbst beginnt. Enthalten im Kalender sind:
- Zeitabschnitte (phänologische Jahreszeiten)
- Zeigerpflanzen
- Vegetationserscheinung
Ein großer Vorteil an diesem System ist die Tatsache, dass ein phänologischer Kalender weltweit nutzbar ist. Zwar können Sie in Mitteleuropa heimische Zeigerpflanzen nicht in Australien anwenden, dafür verfügt jedes Land über eigene Arten, die den Einsatz des Kalenders ermöglichen.
Die Phasen
Der phänologische Kalender ist nach einem Modell ausgerichtet, das den klassischen vier Jahreszeiten ähnelt. Anstelle von vier umfassenden Jahreszeiten finden sich dagegen zehn Phasen, die speziell anhand der Zeigerpflanzen ausgerichtet sind. Definiert wurden die Phasen anhand folgender Wachstumserscheinungen, die saisonal bei Pflanzen auftreten:
- Beginn der Blüte
- Ende der Blüte
- Blattentfaltung
- Blattverfärbung
- Blattfall
- Nadelfall
- Nadelverfärbungen
- Bildung von Fruchtansätzen
- Fruchtreife
- Ernte der Früchte
Anhand dieser Erscheinungen lassen sich die Phasen bestimmen. Wie bereits im vorherigen Abschnitt beschrieben, verschieben sich diese von Region zu Region ein wenig. So tritt zum Beispiel der Hochsommer in Karlsruhe ein wenig früher als im Erzgebirge ein. Der Alpenbereich kann sich länger über einen Winter freuen als die Frankfurter Umgebung. Es handelt sich demnach um bewegliche Phasen, was phänologische Kalender zu einem interessanten Mittel zur Jahreseinteilung macht. Zudem ermöglicht der Kalender einen Einblick in die Zeigerpflanzen, die im entsprechenden Land eine Aussage über die jeweilige Phase machen. Viele Pflanzenbegeisterte suchen speziell nach Zeigerpflanzen, um eine der folgenden Phasen direkt in der Natur zu erkennen:
1. Vorfrühling: Der Vorfrühling schließt direkt an den Winter an und gilt als erster Abschnitt des phänologischen Kalenders. Der Beginn ist gekennzeichnet durch die Blüte der Haselnuss (bot. Corylus avellana) und der Schneeglöckchen (bot. Galanthus). Durchschnittlich reicht der Vorfrühling von der letzten Februarwoche bis Mitte oder Ende März, wenn der letzte Schnee nicht mehr vorhanden ist.
2. Erstfrühling: Der beste Hinweis auf den Erstfrühling ist der Beginn der Blütezeit der Forsythien (bot. Forsythia). Der Erstfrühling hält bis zur ersten Maiwoche an und innerhalb dieses Zeitraums blühen zahlreiche Obstbäume und Beerensträucher. Kirschblüten sind typisch für diesen Zeitraum.
3. Vollfrühling: Die charakteristische Zeigerpflanze für den Vollfrühling ist der Kulturapfel (bot. Malus domestica). Sobald Sie die ersten Apfelblüten entdecken, ist der Winter bis auf die Eisheiligen aus dem Land gezogen. Ein weiterer Indikator ist der Flieder (bot. Syringa), der mit seinen duftenden Blüten den eigenen Garten betört.
4. Frühsommer: Der Vollfrühling wird vom Frühsommer abgelöst, der durch zahlreiche Gräser und Wildblumen gekennzeichnet ist. Ebenso präsentieren sich in diesem Zeitraum, der hauptsächlich auf den Juni bezogen ist, Holunderblüten. Typisch für den Frühsommer sind die hohen Pollenmengen, was für Allergiker nicht angenehm ist. Bauern beginnen während dieser Zeit mit der Heuernte.
5. Hochsommer: Im direkten Anschluss an den Früh- zeigt sich der Hochsommer, in dem meist die höchsten Temperaturen über das Jahr erreicht werden. Linden (bot. Tilia platyphyllos) haben während dieses Zeitraums den Höhepunkt ihrer Blütezeit. Zudem können Johannisbeeren (bot. Ribes rubrum und nigrum) und Stachelbeeren (bot. Ribes uva-crispa) geerntet werden.
6. Spätsommer: Die letzte Phase des Sommers ist der Spätsommer. Vogelbeeren (bot. Sorbus aucuparia) und Frühäpfel reifen aus. Es erfolgt eine weitere Ernte von Heu, die das Ende der saisonalen Getreideernte markiert.
7. Frühherbst: Typischer Indikator für den Frühherbst ist die giftige Herbstzeitlose (bot. Colchicum autumnale). Desweiteren können zu dieser Zeit zahlreiche Obstsorten wie Zwetschgen (bot. Prunus domestica subsp. domestica) und Birnen (bot. Pyrus communis) geerntet werden.
8. Vollherbst: Die Walnussernte (bot. Juglans regia) steht im Vollherbst an. Ebenso verfärbt sich das Laub von wilden Bäumen, während kultivierte Exemplare ihre Blätter verlieren.
9. Spätherbst: Der Spätherbst führt zwischen Mitte November bis Anfang Dezember in den Winter hinein. Das beste Anzeichen ist der Laubfall der Wildbäume. Zudem beruhigt sich die Landwirtschaft und zahlreiche Gartenpflanzen benötigen einen Winterschutz.
10. Winter: Der Winter wird nur durch wenige Arten angekündigt. Es herrscht hauptsächlich eine lange Vegetationsruhe, die bis zur Haselblüte im nächsten Jahr andauert. Eichen (bot. Quercus) verlieren in diesem Abschnitt ihr Laub.
Die Möglichkeit, anhand der Phase einen eigenen Kalender für die Gärtnerei zu erstellen, hat lange Tradition. Im Vorfrühling zum Beispiel werden Hecken und Obstbäume geschnitten, während der Hochsommer ideal geeignet ist, um zweijährige Pflanzen auszusäen. In vielen Fällen ist ein an der Phänologie ausgerichteter Kalender effektiver als Termine, da das Klima direkt vorgibt, welche Maßnahmen notwendig oder empfehlenswert sind.
Hinweis: Aufgrund der globalen Erwärmung können sich die Grenzen einzelner Phasen überschneiden oder ganze Jahreszeiten deutlich verschieben. Besonders im Frühling präsentieren sich viele Zeigerpflanzen spürbar früher als in den Jahrzehnten zuvor, da die Winter nicht mehr so ausgeprägt in Mitteleuropa sind.
Phänologischer Kalender: Verlässlich?
Die Frage, ob der phänologische Kalender verlässlich ist, kann nicht einfach so beantwortet werden. Der Grund dafür ist die Betrachtungsweise. Es ist zu bedenken, dass eine mögliche Problematik an der Phänologie die starke Abhängigkeit vom Wetter und anderen äußeren Einflüssen darstellen. Das könnte die Verlässlichkeit auf den ersten Blick deutlich einschränken, wenn jede Phase zur genauen Bestimmung eines Datums genutzt werden soll. Das ist aber nicht der Fall. Phänologische Phasen wurden bis jetzt hauptsächlich genutzt, um bestimmte Abschnitte bei der Kultivierung von Nutzpflanzen leichter zeitlich einordnen zu können. Dazu gehören:
- Aussaat
- Pflanzung
- Ernte
- Heuschnitt
Für diese gilt ein phänologischer Kalender als äußerst verlässlich, da sich selbst Nutzpflanzen am Klima ausrichten. Das heißt, wenn der Frühling zeitiger beginnt, ist das zum Beispiel an einer früheren Haselblüte erkennbar. Landwirte können sich an dieser orientieren und die entsprechenden Getreidesorten früher aussäen. Zudem wurde über die letzten 40 Jahre speziell in Deutschland und Mitteleuropa extensive Forschung über Beobachtungen von Zeigerpflanzen betrieben. Zeigerpflanzen helfen dabei zu erkennen, wie stark sich der Klimawandel auf die Natur auswirkt. Selbst als Hobbygärtner oder Pflanzenliebhaber können Sie demnach an den bestimmten Pflanzen mit hoher Verlässlichkeit erkennen, ob der Frühling bevorsteht oder der Sommer langsam ausklingt.